Viktorianische Gebäude, Uniform, Tee und ganz viel Harry-Potter-Flair…
Lea Schillinger, eine Schülerin aus der K1, hat ein halbes Jahr lang an der renommierten Ryde School in England verbracht – unterstützt wurde sie unter anderem von einem Begabtenstipendium der Schulstiftung.
Es folgt Leas faszinierender Erfahrungsbericht, der ihre Reise lebendig werden lässt. Die vielfältigen Facetten einer außergewöhnlichen Bildungsreise machen Lust auf mehr.
Von Anfang September 2023 bis Anfang Februar 2024 habe ich für eineinhalb Terms ein Internat im Süden Englands besucht. Um genauer zu sein, die Ryde School With Upper Chine, gelegen auf der hübschen Isle of Wight im Süden Englands. Da ich in Year 12 war, lebte ich in einem der beiden Internatshäuser, das nur für die OberstufenschülerInnen ist: „Centenary House“. Während „Millfield“, das Internatshaus für die jüngeren Schüler, im alten viktorianischen Stil gehalten ist und eine gemütliche und familiäre Atmosphäre ausstrahlt, ist Centenary gewollt moderner, heller und universitätsähnlicher. Die rund 70 Internatsschüler machen ungefähr 10% der gesamten Schülerschaft aus, weshalb es zu den kleineren Internaten zählt. Nichtsdestotrotz sind viele verschiedene Nationalitäten und Länder vertreten, angefangen bei China, Deutschland, Ukraine, Chile, Italien und Alaska bis hin zu den Turks- und Caicosinseln in der Karibik.
Beide Internatshäuser liegen zentral auf dem Schulcampus, was uns erlaubt hat, erst um 7.30h aufstehen zu müssen, dann wenn die Lehrkraft, die gerade Dienst hatte, an jede Tür klopfte und uns einen guten Morgen wünschte. Von 8h bis 8.30h war dann genug Zeit zum Frühstücken in der Dining Hall, was unserer Bioteria gleichkommt. Bevor der Unterricht anschließend um 8.50h startete, trafen wir uns zuvor in unseren Tutor Gruppen, in denen die Anwesenheiten geprüft worden sind. Jede Unterrichtsstunde dauerte 55 min und nach den ersten zwei, war die erste Pause. Als Oberstufenschüler hat man das Privileg in den Pavilion gehen zu können, ein kleines Haus, zwischen den Rugbyfeldern, wo es Snacks, frische Getränke und guten Kaffee gibt.
Nach zwei weiteren Schulstunden begann die Mittagspause, die mit eineinhalb Stunden deutlich länger ist als in Deutschland. In dieser Zeit fanden bereits AGs statt und wir Oberstufenschüler durften auch zurück ins Internatshaus – wie man bereits hier heraushören kann, gab es große Unterschiede bezüglich Freiheiten und Möglichkeiten zwischen der Oberstufe und der Mittel- sowie Unterstufe. Der offensichtlichste ist dennoch die Uniform: während es für die jüngeren Jahrgänge eine strikte „Schmuckregel“, sowie auf die Schulfarben und das Schulwappen angepasste Uniform gab, galt für uns ein Dresscode, der besagte, dass man stets so gekleidet sein sollte wie für ein Vorstellungsgespräch und auf Fluren immer ein Blazer zu tragen hat.
Am Nachmittag gab es erneut zwei Unterrichtsstunden bis 16.15h, auf die erneut AGs wie Porzellan bemalen, Sportarten wie Netball, Rugby oder Hockey und verschiedene Orchester folgten.
Um 18h gab es dann das Abendessen, gefolgt von der Prep time für zwei Stunden von 18.45h bis 20.45h. Diese Prep time dient dazu Hausaufgaben zu machen, für einen Test zu lernen oder Stoff zu wiederholen. Sie ist zu dem verpflichtend, wodurch man unter anderem auch seine Tür öffnen muss, damit die Lehrer, die auf dem Flur sind, ab und an hineinschauen und bei Fragen helfen können.
Danach hat man zunächst Freizeit, bis man seine elektronischen Geräte abgeben muss, für mein Jahrgang immer um 22h, aber nur bis zu den Herbstferien, ab dann durften wir sie über Nacht behalten, wobei das Wlan um 23h abgeschalten wurde. Nachdem die Flurtüren gegen 22.30h alarmgesichert worden sind, trafen wir uns nochmals in unseren Zimmern und redeten ein bisschen, bevor wir schließlich schlafen gingen.
Eine große Besonderheit dort, die mich zu dem sehr an Harry Potter erinnerte, waren die vier akademischen Häuser: Trinity (gelb), Chine (grün), Hanover (rot) und Seaford (blau). Alle SchülerInnen und alle Lehrkräfte waren eines zugeteilt und trugen auch stets dessen Farbe entweder als Brosche am Blazer oder in ihrer Krawatte. Des Öfteren fanden Wettkämpfe und Challenges statt, die die Häuser gegeneinander antreten ließen.
Eine weitere Sache war das Assembly und die Chapel, die fast jeden Montag und Freitag in der nebenanliegenden Kirche stattfanden. Die gesamte Schulgemeinschaft kam zusammen, dabei wurde im Assembly Reden gehalten und über Sportergebnisse berichtet und in der Chapel kam ein Pastor, der mit einer entspannten und humorvollen Art predigte und mit uns sang. Während dem Assembly und der Chapel trugen die Lehrer, die zur Schulleitung gehörten, einen schwarzen Umhang, der sehr an Harry Potter erinnerte.
Für zusätzlichen englischen Charme sorgte vor allem auch mein Englischunterricht. Da wir, wie auch in den anderen Unterrichtsfächern, nur sehr wenige Schüler waren, rund 5 bis 6, in Französisch waren wir sogar nur zu zweit, ermöglichte das uns nur an einer etwas größeren Tafel zu sitzen anstatt an Tischen. Jeder durfte sich dann noch einen heißen Tee oder Kakao machen und in der Mitte standen Kekse. All dies wurde manchmal noch zusätzlich unterstrichen von einer Floskel unserer Lehrerin über ihre „Beans“.
Insgesamt wurden drei verschiedene Oberstufensysteme angeboten: A-Levels (das typische „englische Abitur“ mit 3 bis 4 Fächern); IB CP (International Baccalaureate Career-related program, ebenfalls 3 bis 4 Fächer) und IB DP (International Baccalaureate Diploma Program mit 6 Fächern). Ich entschied mich für Letzteres, da es mit den 6 Fächern, davon 3 als Higher Level/ Leistungskurs und 3 im Standard Level/ Basiskurs dem deutschen Schulsystem am nächsten kam. Zu meinen Leistungskursen zählten Psychologie, Französisch und Biologie, wobei insbesondere bei Biologie mir der bili-Unterricht sehr geholfen hat, und zu meinen Basiskursen Geografie, Mathe und Englisch A (für Muttersprachler). Zu dem hatte ich das Unterrichtsfach „Theory of Knowledge“, was Bestandteil des IB-Programms ist. Kurzgefasst, lernt man die Komplexität des Wissens und man wird zum Nachdenken und Hinterfragen angeregt.
Eine weitere Besonderheit war CAS (creativity, activity, service), das jeden Donnerstagnachmittag verpflichtend stattfand. Es entspricht einem gemeinnützigen Dienst, sowohl für die Schulgemeinschaft als auch für die Stadt. Dazu zählen zum Beispiel im dazugehörigen Kindergarten zu helfen, zu gärtnern, mit Hunden Gassi zu gehen oder im Theater Fundus oder der Bibliothek aufzuräumen. Stattdessen kann man aber auch CCF („Combined Cadet Force“) machen – dazu zählt die Royal Air Force und die Royal Navy. Samt Uniform soll es den SchülerInnen ermöglichen militärische Fähigkeiten zu entwickeln und die Teamarbeit zu stärken.
Das Internatsleben war ebenfalls eine Erfahrung, die ich nicht missen wollen möchte. 24 Stunden 7 Tage die Woche, mit gleichaltrigen zusammenzuleben, aber vor allem auch seine Freunde immer nur eine Tür entfernt zu haben, ist etwas ganz Besonderes und, das kann ich versprechen, es wird nie langweilig. Aber auch so gab es viele Angebote vor allem an Wochenenden wie Golf spielen, Workshops wie ein Sushi Workshop, Stand-up-Paddling, schwimmen im Meer, Bubble-Fußball und vieles mehr… hinzukommt, dass London nur eineinhalb bis zwei Stunden mit dem Zug entfernt ist, das hat uns die Möglichkeit gegeben Tagesausflüge dorthin zu unternehmen.
Zusammenfassend kann ich nur sagen, dass ich selbstverständlich viel im Unterricht gelernt habe, aber vor allem auch menschlich. In meiner Zeit dort habe ich so viele neue Menschen und Nationalitäten kennengelernt und auch nochmal viel intensiver, denn es ist wohl wahr, dass es nochmal etwas anderes ist, wenn man die ganze Zeit zusammenlebt. Hätte ich nochmal die Chance so einen Auslandsaufenthalt in einem Internat zu machen, würde ich dies gewiss tun. All die Erinnerungen werden mich ein Leben lang begleiten und natürlich hat auch mein Englisch sehr davon profitiert.
An dieser Stelle möchte ich mich bei der Stiftung bedanken, dass sie zu diesem Auslandsaufenthalt beigetragen haben, insbesondere für die Verlängerung von einem halben Term.