Vollstipendiatin Polina Melnyk aus der Ukraine hat ihr Abi mit 1,7 bestanden. Sie spricht im Interview mit der Schulstiftung über ihre bewegende Geschichte und ihre Pläne für die Zukunft.
Polina Melnyk ist vor gut zweieinhalb Jahren mit einem Teil ihrer Familie nach Deutschland geflohen und hat eine beeindruckende Reise hinter sich. Trotz anfänglicher Sprachbarrieren und der Herausforderungen, sich in einem neuen Land einzuleben, hat sie dank des Vollstipendiums der ANGELL Schulstiftung ihren Platz am Montessori Zentrum gefunden. Mit unglaublichem Engagement und Ehrgeiz hat Polina ihr Abitur mit einem Schnitt von 1,7 bestanden – und das, obwohl sie zuvor kaum Deutsch sprach. Jetzt, da sie diesen Meilenstein erreicht hat, möchte sie an der Uni Hohenheim Ernährungswissenschaften studieren, um in der Lebensmittelindustrie zu arbeiten und Menschen mit Intoleranzen oder Diabetes zu helfen. Neben ihrem Studium möchte sie ihrer Leidenschaft für die Malerei und ihrem neuen Hobby, dem Sticken von Mangas, treu bleiben. Polinas Resümee der letzten Jahre: „Sorgen helfen niemand!“ In diesem Interview spricht sie mit Constanze Weymann von der ANGELL Schulstiftung über ihre bewegende Geschichte.
Constanze Weymann: Herzlichen Glückwunsch zum Abitur, das Du mit einer Note von 1,7 bestanden hast. Was würdest Du sagen, hat sich vom ersten zum letzten Schultag hier für Dich verändert?
Polina Melnyk: An meinem ersten Tag hier hatte ich großen Respekt. Ich komme mit neuen Situationen schwer klar und habe erstmal Schwierigkeiten, mich auf neue Leute einzulassen. Ich kam ja direkt in die Kursstufe und habe daher nur die Hälfte meiner Klasse kennengelernt. Alle sind nett und haben mir geholfen. Das hat mir den Start und meine Zeit hier enorm erleichtert.
CW: Das Abi-Motto war „Helden der Kindheit.“ Wer warst Du?
PM: Ich war Schneewittchen. Alle haben gleich erkannt, dass ich eine Disney-Prinzessin war. Nur welche, das mussten dann die meisten erraten.
CW: Deine Englisch- und Biolehrerin Annette Schuck sagt folgendes über Dich: "Eine unserer ausgezeichneten Schülerinnen kam zur Mitte der 11. Klasse aus der Ukraine zu uns. Polina Melnyk hat nicht nur das Leistungsfach Bilinguale Biologie gerockt und wurde zum Abitur mit dem Karl-von-Frisch-Preis des VBio für herausragende Leistungen im Fach Biologie ausgezeichnet. Sie ist auch künstlerisch talentiert und zeichnet in ihrer Freizeit professionell Mangas. Wir freuen uns mit ihr über ihr insgesamt hervorragendes Abitur, für das sie auch vom Montessori Zentrum Angell mit einem Buchpreis ausgezeichnet wurde. Herzlichen Glückwunsch, Polina!" Du hast den Karl-von-Frisch-Preis gewonnen.
PM: Ja, Frau Dr. Schuck hat mich vorgeschlagen. Ich wusste ehrlich gesagt nicht, was das für ein Preis ist, und jetzt, da ich ihn erhalten habe, muss ich mich erst damit beschäftigen, was er genau beinhaltet.
CW: Es ist, wie Annette Schuck schreibt, ein Preis, der vom Verband Biologie, Biowissenschaften und Biomedizin in Deutschland (VBio) verliehen wird. Er zeichnet herausragende Leistungen im Fach Biologie aus und würdigt Schülerinnen und Schüler, die durch besondere Kenntnisse und Engagement in diesem Bereich aufgefallen sind. Du erhältst auch ein Preisgeld.
PM: Oh, das hört sich toll an.
CW: Polina, wie geht es jetzt bei Dir weiter?
PM: Ich möchte Ernährungswissenschaften an der Uni Hohenheim studieren.
CW: Das heißt, Du ziehst leider aus Freiburg weg. Weißt Du schon, was Du dann mit dem Studium später machen möchtest?
PM: Ich möchte Menschen mit Intoleranzen helfen, sich gesünder zu ernähren. Speziell interessiere ich mich für das Backen in Bezug auf Diabetes, weil meine Oma Diabetes hat, aber so gerne backt. Sie muss immer sehr aufpassen, welche Zutaten sie nehmen kann. Da muss es noch einen anderen Weg geben.
CW: Und so wie Du jetzt vor mir sitzt, bin ich sicher, dass Du ihn finden wirst. Polina, wie geht es Deiner Familie in der Ukraine und Deiner Familie, die mitgekommen ist, hier?
PM: Uns hier geht es ganz gut, es ist natürlich immer noch schwierig, wenn ich die Medien verfolge. Dem Teil der Familie, der in der Ukraine geblieben ist, geht es aber auch in Ordnung.
CW: Möchtest Du zurück, wenn der Krieg irgendwann hoffentlich beendet ist, oder kannst Du Dir nun eher vorstellen, hier zu bleiben?
PM: Ich wollte schon vor dem Krieg nach Deutschland zum Studieren. Ich kann mir vorstellen, irgendwann zurückzugehen. Ob ich dann aber wieder ganz dort leben möchte, weiß ich jetzt nicht.
CW: Wenn Du unsere Schule mit Deiner Schule in der Ukraine vergleichst, was fällt Dir auf?
PM: Hier am Montessori Zentrum sind alle nett und hilfsbereit. Selbst bei den Abiprüfungen hatten alle gute Laune, und es war fast entspannter als eine Klausur in der Ukraine zu schreiben. Dort ist doch alles sehr streng.
CW: Du hast bei uns auch den Kunstpreis von der Schulstiftung gewonnen. Du zeichnest sehr gerne Mangas und sicher hättest Du auch die künstlerische Schiene einschlagen können. Bleibst Du diesem Hobby treu?
PM: Auf jeden Fall. Meine Hobbys bleiben meistens. Ich sticke nun auch seit neuestem Mangas. Das ist gut zum Entspannen.
CW: Liebe Polina, danke, dass Du uns Deine Geschichte erzählt hast. Ich freue mich, dass die Stiftung Dir nach den schwierigen Fluchterfahrungen hier an der Schule einen Platz ermöglichen konnte. Das liegt nicht zuletzt an den besonderen Menschen, die spenden, um Teil- oder wie in Deinem Fall Vollstipendien möglich zu machen. Ich wünsche Dir persönlich alles Gute und eine friedliche Zukunft. Ich würde mich sehr freuen, wenn wir Dich noch ein bisschen begleiten dürfen und Du Dich ab und an meldest, wie es Dir so geht.
PM: Danke, das mache ich sehr gerne. Ich bedanke mich auch für das Vollstipendium. Es hat mir sehr gut getan, hier auf der Schule sein zu dürfen. Danke auch an die Spender, ohne die es nicht möglich gewesen wäre hier mein Abitur zu machen und nun zu studieren.